
Dr. Niels Kohlschütter
promovierter Agrarwissenschaftler
Experte für nachhaltige Landwirtschaft
Was sind die neuesten Ergebnisse zu Pestiziden in der Luft von 2020?
Dr. Niels Kohlschütter ist beteiligt an der Entstehung der aktuellen Studie zur Belastung der Luft mit Pestiziden: Was hat es mit neuesten Untersuchungen zum Thema Pestizide in der Luft auf sich?

Kurzantwort
Ergebnisse zu Pestiziden in der Luft

Die Untersuchungen der TIEM-Pestizid-Studie über Pestizide in der Luft beziehen sich auf die Jahre 2014 bis 2019. In allen Untersuchungsjahren wurden Pestizide in der Luft nachgewiesen. Für das Jahr 2020 gibt es keine eigene Untersuchung. Aus den Untersuchungsergebnissen der vorhergegangenen Jahre lässt sich vermuten, dass auch im Jahr 2020 die Atemluft mit Pestiziden belastet ist.
Langantwort
Woher stammen die Ergebnisse?
Die Ergebnisse zu Pestiziden in der Luft sind aus der bislang umfassendsten Studie zur Erfassung der Pestizid-Belastung in der Luft in der Bundesrepublik Deutschland. Es handelt sich um die sogenannte TIEM-Pestizid-Studie.
Wie wahrscheinlich ist es, dass man in Deutschland lebt und keine Pestizide in der Luft einatmet?
Die Daten zeigen, dass innerhalb eines Jahres Standorte ohne Pestizid-Wirkstoffe in der Luft sehr unwahrscheinlich sind. Anzahl und Zusammensetzung der nachgewiesenen Wirkstoffe sowie die Höhe der Belastung hängen vom Standort, aber auch von den Eigenschaften der Wirkstoffe selbst ab.
Wo ist die Pestizidbelastung in der Luft besonders hoch?
Die Belastung ist im Allgemeinen dort höher, wo eine intensive Ausbringung von Pestiziden zu erwarten ist. Der Abstand zur nächsten potenziellen Quelle hat nur wenig Einfluss. Auch dort wo Pestizide nicht ausgebracht werden, muss mit einem umfassenden Cocktail von Wirkstoffen gerechnet werden.
Was für Auswirkungen hat die Mischung von verschiedenen Pestiziden?
Die Wechselwirkungen dieser Stoffe aus der Luft auf den Menschen sind noch unbekannt.
Was ist das am häufigsten verbreitete Pestizid in der Luft?
Durch nicht-biologischen Sammelmedien kann man erkennen, dass Glyphosat weiter als jeder andere untersuchte Wirkstoff in der Luft verbreitet ist. Das Auftreten dieses Pestizids direkt in der Luft wurde in diesem Umfang bislang noch nicht dokumentiert.
Wie kam man auf die Idee zu untersuchen, ob sich Pestizide in der Luft befinden?
Rindenmessungen (LGRM) hatten während der Jahre 2014 bis 2018 erste Belege erbracht, dass Pestizid-Wirkstoffe aus konventioneller Landwirtschaft über die Luft weiträumig transportiert werden können (Hofmann, Schlechtriemen et al. 2019a).
Was wurde konkret untersucht?
Messungen mit verschiedenen weiteren Methoden zur Pestizid-Belastung in der Luft sollen die bisherigen Rindenmessungs-Ergebnisse vertiefen. Hierzu wurden im Rahmen eines Citizen-Science-Projekts 116 Standorte in der gesamten Bundesrepublik während des Jahres 2019 untersucht.
Welche Sammelmethoden wurden eingesetzt?
Technische Passivsammler (49 Proben), Filtermatten aus Be- und Entlüftungsanlagen (20 Proben), Bienenbrot der Honigbiene (41 Proben) und Rindenproben (6 Proben). Analysiert wurden die Proben mittels Multi-Analytik auf über 500 Wirkstoffe, darunter Glyphosat, Glufosinat und AMPA (Aminomethylphosphonsäure, Abbauprodukt des Glyphosats).
Wurden Ergebnisse aus den früheren Rindenuntersuchungen einbezogen?
Ja. In das Ergebnis zu Pestiziden in der Luft wurden Daten aus früheren Rindenuntersuchungen aus den Jahren 2014 bis 2018 einbezogen (47 Proben).
– Insgesamt wurden in 163 Proben 152 Wirkstoffe nachgewiesen,
– davon waren 138 Stoffe auf landwirtschaftliche Quellen zurückzuführen.
– 41 der 138 Substanzen (30 Prozent) sind in der Bundesrepublik Deutschland nicht zugelassen.
Nicht vergessen
- Insgesamt wurden 138 Pestizid-Wirkstoffe in der Atemluft nachgewiesen.
- Glyphosat wurde mit der Methode der Passivsammler an allen Standorten nachgewiesen.
- Die Auswirkungen von Pestizid-Wirkstoffen in der Luft auf die Gesundheit und dies in der Regel als Pestizid-Cocktail, sind bisher kaum untersucht.
Kurzantwort
DAS FAZIT
Meinung vom Experten
Dr. Niels Kohlschütter


Die Folgen für die Gesundheit sind unabsehbar. Gerade zur Wirkung von Pestizid-Cocktails, also einer Mischung aus verschiedenen Wirkstoffen, gibt es kaum Forschung. Diese Forschung ist dringend notwendig und sollte von den verantwortlichen Stellen angeschoben werden. Als unabhängige Forschung.
Gleichzeitig muss das Zulassungsverfahren angepasst werden, das den Ferntransport von Pestiziden über die Luft und die gesundheitlichen Auswirkungen von Pestizid-Cocktails nicht ausreichend berücksichtigt.
Empfehlung:
Dr. Niels Kohlschütter wurde von Torsten Gauger empfohlen


