
G
Meeresbiologe;
Experte für Statistische Messmethoden
Werden Pandemien häufiger?
G beschäftigt sich mit statistischen Messmethoden und beantwortet hier die Frage, ob die Wahrscheinlichkeit für Pandemien sinkt oder steigt und ob damit die Häufigkeit von Pandemien steigt. Was sind die Ursachen von Pandemien? Und werden damit Pandemien immer häufiger?
Pandemie-Häufigkeit
Die Wahrscheinlichkeit von Pandemien hängt davon ab wie sich die Faktoren verändern, die Pandemien begünstigen oder abschwächen. Da der Mensch immer weiter in die verbliebene Wildnis vordringt und damit die Kontaktwahrscheinlichkeit zwischen Wildtieren und Menschen steigt, wird wahrscheinlich auch die Häufigkeit von Pandemien zunehmen.
Steigt die Wahrscheinlichkeit für Pandemien?

Folgende Faktoren erhöhen die Wahrscheinlichkeit für zukünftige Pandemien und damit auch dafür, dass die Häufigkeit von Pandemien steigt:
1. Steigende globale und lokale Mobilität. Krankheitserreger haben durch die hohe Kontaktdichte gute Möglichkeiten sich auszubreiten.
2. Massiver globaler Handel, auch mit Tieren. Der Austausch von Waren und insbesondere von Tieren erhöht die Ausbreitungschancen von Krankheitserregern.
3. Wachsende Weltbevölkerung. Die wachsende Anzahl von Menschen führt zu engeren Wohnverhältnissen, mehr Nähe, mehr Kontakten und geringeren Distanzen, die Krankheitserreger überbrücken müssen.
4. Fehlernährte, alternde, vulnerable Gesellschaften. Eine schlecht ernährte Bevölkerung ist anfälliger für Krankheiten. Übergewicht, Diabetes etc. haben auch schon bei Corona zu schwereren Verläufen geführt. Ältere Bevölkerungen sind ebenso anfälliger für Krankheitserreger.
5. Massentierhaltung. Wie das Beispiel von Nerzen in Dänemark gezeigt haben, oder wir im Rahmen der afrikanischen Schweinepest feststellt haben, erhöht sich durch die Massentierhaltung erstens die Übertragung der Krankheitserreger unter den Tieren und zweitens die Wahrscheinlichkeit, dass sich über diesen rasanten Übertragungsweg neue Varianten des Krankheitserregers entwickeln, die auf bestehende Medikamente oder Impfstoffe immun sind.
6. Eindringen in und Ausbeuten von Urwäldern, einschließlich des Verspeisens von Wildtieren. Dies führt unter anderem zu einer wachsenden Wahrscheinlichkeit von Zoonosen (d.h. Übertragung eines Krankheitserregers, der bei einem Wirtstier in der Wildnis vorkommt auf den Menschen).
7. Antibiotikaresistenzen. Derzeit wird kaum an neuen Medikamenten gegen Bakterien geforscht. Die bestehenden Antibiotika wirken immer weniger, da durch die übermäßige Verwendung von Antibiotika immer mehr Bakterien gelernt haben Resistenzen aufzubauen. Sollte es einem resistent gewordenen Bakterium gelingen auf den Menschen überzuspringen und sich ähnlich effektiv zu verbreiten wie die Pest im Mittelalter, hätten wir auch heutzutage ein Problem!
8. Klimawandel. Die sich zum Teil drastisch verändernden klimatischen Bedingungen in manchen Regionen führen dazu, dass Krankheitserreger und ihre Wirtstiere in neue Regionen vorstoßen, wo noch nicht daran angepasste Lebensverhältnisse von Menschen zu einer weiteren Verbreitung führen (Beispiele hierfür sind Mücken und Zecken).
Es spricht daher viel dafür, dass die Menschheit in eine Phase mit häufiger auftretenden Pandemien eintritt.
Wie nennt man diese neuen Pandemien?
Diese nicht vorhersagbaren Ereignisse aus der Natur hat die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) als „grüner Schwan“ tituliert. Der Begriff ist angelehnt an die sehr unwahrscheinlichen und schwer bis gar nicht vorhersagbaren Ereignisse eines „schwarzen Schwans“. Als “schwarzen Schwan” gilt zum Beispiel die Lehman-Pleite, die die Finanzkrise 2008 ausgelöst hat. Zurück geht diese Bezeichnung auf Nassim Nicholas Taleb.
Bei diesen “grünen Schwänen” müssen wir in Zukunft aber mit erhöhten Wahrscheinlichkeiten rechnen. Wir wissen nicht, woher diese kommen werden, aber die Voraussetzungen für weitere Pandemien haben sich erhöht.
Wie viele unbekannte Viren gibt es, die die Menschheit anstecken könnten?
Es wird geschätzt, dass weitere 1,7 Millionen derzeit „unentdeckte“ Viren in Säugetieren und Vögeln existieren – von denen bis zu 827.000 die Fähigkeit haben könnten, Menschen zu infizieren.
Dr. Peter Daszak, Präsident der EcoHealth Alliance, bestätigt, dass die Ursache von COVID-19 und auch aller anderen im letzten Jahrhundert aufgetretenen Pandemien durch die Infizierung vom Tier auf den Menschen entstanden sind. Manche Wissenschaftler gehen konservativ davon aus, dass es vielleicht 631.000 Viren sind, die auf den Menschen übergehen könnten. Die Wissenschaftler halten zwischen 631.000 und 827.000 Viren für auf den Menschen übertragbar. Die Zahlen beruhen auf einer Expertenanalyse von weltweit 22 Wissenschaftlern, die ihre Ergebnisse im Rahmen vom Intergovernmental Science-Policy Platform on Biodiversity and Ecosystem Services (IPBES) veröffentlicht haben (vgl. Quelle unten). Die deutsche Teilnehmerin war die Virologin Sandra Junglen von der Berliner Charité.
Quellen
- Escaping the ‘Era of Pandemics’: Experts Warn Worse Crises to Come Options Offered to Reduce Risk; Intergovernmental Science-Policy Platform on Biodiversity and Ecosystem Services (IPBES)
- IPBES workshop report on biodiversity and pandemics 2020
- WHO annual report GPMB – Global Preparedness Monitoring Board
Die wichtigsten Punkte
- Die Voraussetzungen für weitere Pandemien sind gegeben. Damit steigt die Wahrscheinlichkeit für steigende Häufigkeit von Pandemien.
- Es gibt wahrscheinlich über 631.000 Viren in der Tierwelt, die auf den Menschen überspringen könnten.
Meinung vom Experten
G

Die Corona-Pandemie gibt uns die Möglichkeit uns fit zu machen für weitere Ereignisse. Wann und wie sie eintreten wird keiner vorhersagen können. An den meisten der oben aufgeführten acht Einflussfaktoren können wir arbeiten. Corona müsste uns gezeigt haben, dass weniger Kontakt von jedem einzelnen, für alle mehr Freiheit bedeutet. Ob wir dieses solidarische Verhalten des individuellen Verzichts auf die großen Zukunftsthemen übertragen können, wird sich zeigen. Aber positiv ist schon mal, dass breiten Teilen der Bevölkerung klar geworden ist, dass die Corona-Pandemie durch die Erkenntnisse der Wissenschaft besiegt werden kann und die Politik diese wissenschaftlichen Stimmen zu entscheidenden Grundlagen ihrer Abwägungen erklärt. Denn wie Greta schon sagte: "Listen to science!".“
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